Bis zu den Änderungen des HGB durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985 (BiRiLiG) gab es keine Passivierungspflicht für ungewisse Verbindlichkeiten. Folglich wurden im Zusammenhang mit dem BiRiLiG auch verschiedene (Übergangs-) Regelungen im EGHGB (Einführungsgesetz zum HGB) geschaffen bzw. neu gefasst.
So sieht Artikel 28 Abs. 1 EGHGB vor, dass die Passivierungspflicht nach § 249 HGB bei unmittelbaren Zusagen (Direktzusagen) nur für nach dem 31.12.1986 erteilte Zusagen (sog. "Neuzusagen") uneingeschränkt gilt. Für vor dem 01.01.1987 erteilte Zusagen und für nachträgliche Erhöhungen dieser Zusagen (zusammen sog. "Altzusagen") besteht dagegen ein Passivierungswahlrecht. Dennoch sind auch "Altzusagen" wertmäßig zu bestimmen, da die nicht passivierten Beträge im Bilanzanhang anzugeben sind (Artikel 28 Abs. 2 EGHGB).
Für mittelbare Zusagen (also Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, bei denen der Arbeitgeber einen externen Versorgungsträger – Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung – einschaltet) muss in keinem Fall eine Rückstellung gebildet werden – diesbezüglich gilt insofern keine zeitpunktbezogene Unterscheidung von Alt- bzw. Neuzusagen.
Ebenso spricht Artikel 28 EGHGB von sog. pensionsähnlichen mittelbaren oder unmittelbaren Verpflichtungen, für die eine Rückstellung in keinem Fall gebildet werden muss. Allerdings ist der Begriff der pensionsähnlichen Verpflichtungen nach einhellig herrschender Meinung inhaltsleer, d. h. es gibt hierfür keinerlei Beispiele in der Praxis.
Die teilweise oder vollständige Passivierung einer Verpflichtung, die bislang aufgrund des Passivierungswahlrechtes nicht gebildet wurde, ist zu jeder Zeit möglich. Eine solche Rückstellungsbildung verstößt auch nicht gegen das Stetigkeitsprinzip der GoB, da hierdurch im Allgemeinen ein verbesserter Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bilanzierenden gewährt wird. Eine solche Passivierungsentscheidung bindet das bilanzierende Unternehmen allerdings auch für die künftige Bilanzierung. So verlangt die Ansatzstetigkeit (als Teil der GoB), dass Zuwächse, der passivierten Verpflichtungen ebenfalls den Rückstellungen zugeführt werden müssen.
Schließlich gilt das Auflösungsverbot gemäß § 249 HGB auch für unter dem Passivierungswahlrecht freiwillig passivierte Verpflichtungen.
Die (freiwillige) Rückstellungsbildung bei mittelbaren Zusagen bezieht sich nach herrschender Meinung auf eine jeweils sach- und periodengerecht abgegrenzte (d. h. vergangenheitsbezogene) etwaige Unterdeckung der eingeschalteten externen Einrichtung, immer bezogen auf die vom bilanzierten Unternehmen erteilten Versorgungszusagen. Hierbei ist mitunter die Abgrenzung zwischen rein rechnerischen Unterdeckungen und ggf. tatsächlich geldlich auszugleichenden Fehlbeträgen bis hin zu Beitragsforderungen einer externen Versorgungseinrichtung nicht einfach. Folglich bestehen in manchen Fallkonstellationen Unsicherheiten über Umfang und Reichweite des Passivierungswahlrechtes. Der Ergebnisbericht „Handelsrechtliches Passivierungswahlrecht und Passivierungspflicht beim Arbeitgeber für Verpflichtungen aus mittelbaren Versorgungszusagen“ der AG Rechnungslegung des Fachausschuss Altersversorgung der DAV vom 10.06.2019 behandelt solche Zweifelsfragen anhand eingängiger Beispiele und zeigt die jeweiligen Folgen für die Bilanzierung auf.
Fragen zum Passivierungswahlrecht und zur Behandlung bereits gebildeter Rückstellungen stellen sich insbesondere bei einem Wechsel des Durchführungsweges von einer unmittelbaren zu einer mittelbaren Verpflichtung, aber auch im umgekehrten Fall.