Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat im Jahr 2021 den Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 zur handelsrechtlichen Bewertung von rückgedeckten Direktzusagen und Unterstützungskassenzusagen veröffentlicht. Die darin enthaltenen Neuregelungen sehen grundsätzlich eine Gegenüberstellung der erwarteten Zahlungsströme aus der Zusage und der zugehörigen Rückdeckungsversicherung vor und sind für Bilanzstichtage ab dem 31.12.2022 anzuwenden. Daraus können sich spürbare Auswirkungen auf die Handelsbilanz ergeben, wenn zuvor die Rückdeckungsversicherung und die Pensionsverpflichtung separat bewertet worden sind.
Bei der Anwendung des Rechnungslegungshinweises sollte zunächst geprüft werden, ob eine geänderte Bewertung der rückgedeckten Versorgungszusage des Unternehmens grundsätzlich sinnvoll oder sachgerecht ist. Hierzu gibt der IVS/DAV Ergebnisbericht (siehe unten) konkrete Handlungsempfehlungen. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn die Auszahlungsform der Rückdeckungsversicherung (Kapital/Rate/Rente) nicht den Auszahlungsformen der Zusage entspricht, die Rückdeckungsversicherung fonds- oder indexgebunden ist oder keine Altersleistung vorsieht (z.B. Risikoversicherung, reine Berufsunfähigkeitsversicherung). Kongruent rückgedeckte Bestandteile von Versorgungszusagen, deren Höhe vom Auszahlungsbetrag der Versicherung festgelegt wird (Versicherungsbindung der Zusage) und die insoweit als wertpapiergebundene Zusagen betrachtet werden, wurden bereits vor der Veröffentlichung des Rechnungslegungshinweises kongruent bewertet. Hier ergibt sich also keine Änderung. Ebenfalls nicht betroffen sind Rückdeckungsversicherungen, die nicht zur Finanzierung der Pensionsverpflichtung, sondern z.B. zur Besicherung oder Tilgung eines Darlehens oder zur Finanzierung einer späteren Investition verwendet werden sollen.
In allen vorgenannten Fällen ergibt sich aus dem Rechnungslegungshinweis kein Handlungsbedarf für die Unternehmen, d.h. die Bewertung der Verpflichtung und die Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens erfolgen wie bisher.
Anders ist jedoch bei Pensionszusagen zu verfahren, die nur teilweise über Rückdeckungsversicherungen finanziert werden. Hier sind nach dem Rechnungslegungshinweis die Zahlungsströme aus der Pensionszusage und der Rückdeckungsversicherung zu betrachten und zu vergleichen. Alle kongruenten Zahlungsströme sind auch kongruent, d.h. in gleicher Höhe, zu bewerten.
Es stellt sich nun die Frage, ob dieser vom IDW vorgesehene Vergleich der Zahlungsströme mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden kann. Dazu benötigt der Gutachter die voraussichtlichen Renten- bzw. Kapitalleistungen der Rückdeckungsversicherung sowie die Zeitpunkte der Auszahlung. Diese Informationen liegen dem Gutachter in der Regel nicht vor und können aufwendig zu beschaffen sein.
Besteht somit ein erhöhter Informationsaufwand, können durch den Gutachter vereinfachte Verfahren angewendet werden, die in einem Ergebnisbericht des Fachausschusses Altersversorgung des IVS vorgeschlagen werden. Bei diesen erfolgt die kongruente Bewertung der Pensionsverpflichtung und der Rückdeckungsversicherung mit Hilfe von Umrechnungsfaktoren, die das Ausmaß der Finanzierungs-
und Erdienenskongruenz quantifizieren sollen. In dem Ergebnisbericht werden zwei vereinfachte faktorbasierte Bewertungsverfahren beschrieben, in denen die korrespondierenden Anteile der Pensionsverpflichtung und der Rückdeckungsversicherung jeweils über ihre Barwerte gegenübergestellt werden.
Beim Deckungskapitalverfahren wird für die zugesagte Versorgungsleistung ein fiktiver Versicherungswert (Aktivwert) ermittelt und dem tatsächlichen Aktivwert der Rückdeckungsversicherung gegenübergestellt. Beim Erfüllungsbetragsverfahren wird dagegen ein fiktiver Erfüllungsbetrag für die Rückdeckungsversicherung ermittelt und dem Erfüllungsbetrag der Versorgungszusage gegenübergestellt.
Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass sie mit sehr wenigen Informationen zur Rückdeckungsversicherung eine Anwendung des Rechnungslegungshinweises ermöglichen. Bei beiden faktorbasierten Verfahren benötigt der Gutachter neben dem Aktivwert einige wenige zusätzliche Angaben zur Rückdeckungsversicherung. Im einfachsten Fall genügt die Angabe des Versicherungsbeginns und der Versicherungsgesellschaft. Die notwendigen Informationen können von den Unternehmen in der Regel dem Versicherungsschein oder der letzten Standmitteilung entnommen und an den Gutachter weitergegeben werden.
Die Unternehmen haben die Wahl, ob bei Anwendung des Rechnungslegungshinweises die Aktivseite unverändert bleibt („Aktivprimat“) oder ob die Passivseite unverändert bleibt („Passivprimat“). Bei Anwendung des Deckungskapitalverfahrens hat diese Wahl keinen Einfluss auf die Höhe des Saldos der betroffenen Bilanzposition.
Welche Variante in der individuellen Situation eines Unternehmens am sinnvollsten ist, kann nur unternehmensintern beurteilt werden.
Bewertung in der Literatur
Der Rechnungslegungshinweis wurde in der Literatur kontrovers diskutiert. Während sich etliche Autoren im Wesentlichen auf die praktischen Herausforderungen der Umsetzung konzentrierten, wurde von anderen Autoren der Rechnungslegungshinweis als zumindest in Teilen nicht HGB-konform kritisiert und eine Anwendung als optional und in keinem Fall verbindlich eingeschätzt.