Durch das im Jahre 1984 verabschiedete Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen (Vorruhestandsgesetz - VRG) wurde das vorzeitige Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben mit staatlicher Unterstützung gefördert. Insbesondere im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnahmen wurden auf Grundlage des VRG in großem Umfang sowohl einzelvertraglich als auch kollektivrechtlich (bspw. Vorruhestands-Tarifvertrag der Banken) Regelungen vereinbart, die in einigen Bereichen bis heute und damit auch nach Auslaufen der gesetzlichen Fördermaßnahmen weiterhin Anwendung finden.
Als Vorruhestand wird dabei die Phase zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des Bezugs der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezeichnet. Darin liegt auch der Unterschied zu einer reinen Freistellung, bei der das Arbeitsverhältnis formal nicht beendet wird. Das Vorruhestandsgeld ist wie Arbeitslohn steuer- und sozialversicherungspflichtig.
Für die Berechnung der steuerlich zulässigen Rückstellungen für Vorruhestandsverpflichtungen sind die gleichen Rechtsgrundsätze wie für Pensionsrückstellungen (§ 6a EStG)[1] zu verwenden.
Grundlage für die Berechnung der Rückstellung für Vorruhestandsverpflichtungen ist danach bei Anwartschaften der versicherungsmathematische Teilwert. Für Leistungsempfänger ist der Teilwert gemäß § 6a EStG gleich dem vollem Barwert der künftigen Leistungen. Als Rechnungsgrundlagen werden üblicherweise derzeit die „Heubeck-Richttafeln 2018 G“ mit dem steuerlich vorgeschriebenen Rechnungszinsfuß von 6 % p. a. verwendet.
Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Handelsbilanz zu bilden. Da Verpflichtungen zur Zahlung von Vorruhestandsgeldern zu den ungewissen Verbindlichkeiten zählen, sind grundsätzlich alle nach zivil- oder arbeitsrechtlichen Grundsätzen bestehenden Vorruhestandsverpflichtungen in der Handelsbilanz auszuweisen (Passivierungspflicht).
Nach § 253 HGB sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen.
Bei der Wahl des Bewertungsverfahrens hat der Bilanzierende dafür Sorge zu tragen, dass die gewählte Methodik die tatsächlichen Verhältnisse bezüglich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens bestmöglich abbildet. Laufende Verpflichtungen sind stets mit ihrem Barwert anzusetzen. Zur Ermittlung der Rückstellungen für Verpflichtungen zur Zahlung von Vorruhestandsgeldern aktiver Mitarbeiter sind unterschiedliche Methoden zulässig: Für die Bewertung von Verpflichtungen aus zeitratierlich erdienten Anwartschaften kommt nach Auffassung des IDW (IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: handelsrechtliche Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen – IDW RS HFA 30, Tz. 61) sowohl das Anwartschaftsbarwertverfahren (Projected Unit Credit Method i. S. d. IAS 19) als auch das versicherungsmathematische Teilwertverfahren in Betracht. Als Rechnungsgrundlagen werden üblicherweise derzeit die „Heubeck-Richttafeln 2018 G“ verwendet
Während das gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB eingeräumte Vereinfachungswahlrecht hinsichtlich der Wahl des Rechnungszinses bei Pensionsverpflichtungen i. d. R. nur zu unwesentlichen Ungenauigkeiten führt, kann bei Vorruhestandsverpflichtungen die Restlaufzeit deutlich geringer als 15 Jahre sein. Andererseits sind die Auswirkungen des Rechnungszinses bei kürzerer Duration naturgemäß geringer. Daneben sind künftige Erhöhungen der Vorruhestandsleistungen durch Ansatz geeigneter Trendannahmen zu berücksichtigen.
Besteht aufgrund einer kollektivrechtlichen Regelungen ein Rechtsanspruch auf Abschluss einer Vorruhestandsvereinbarung, ist für Mitarbeiter, mit denen noch keine Vorruhestandsvereinbarungen getroffen wurden, die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu schätzen und in geeigneter Form in Ansatz zu bringen.
Die Verpflichtungen zur Zahlung von Vorruhestandsleistungen stellen so genannte termination benefits (Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) im Sinne von IAS 19.8 (dt. Übersetzung) dar.
Termination benefits sind nach IAS 19.165 ff. als liability zu passivieren, soweit der Arbeitgeber aus einem dem Arbeitnehmer unterbreiteten Angebot zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachweisbar verpflichtet ist. Die Verpflichtung zur Leistung entsteht rechtlich mit dem Abschluss einer Vorruhestandsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Auch im Fall einer tarifvertraglichen Vereinbarung oder Betriebsvereinbarung, die einem bestimmten Personenkreis die unentziehbare Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung einräumt, kann sich der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht entziehen, wenn die betroffenen Arbeitnehmer in die Vorruhestandsregelung einwilligen.
Die Bewertung erfolgt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen, da die Verpflichtung zur Zahlung von Vorruhestandsleistungen mit dem Eintritt von Invalidität oder Tod des Arbeitnehmers erlischt. Da mit Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein künftiger wirtschaftlicher Nutzen für ein Unternehmen verbunden ist, werden sie sofort als Aufwand erfasst. In der Bilanz ist somit der Barwert der Verpflichtung auszuweisen.
Nach IAS 19.169 (b) sind für termination benefits, die mehr als 12 Monate nach dem Bilanzstichtag fällig werden, die Vorschriften für andere langfristige Leistungen an Arbeitnehmer anzuwenden. Das bedeutet insbesondere, dass die Leistungen unter Verwendung des nach IAS 19.83 abgeleiteten Zinssatzes zu diskontieren sind. Daneben sind künftige Erhöhungen der Vorruhestandsleistungen durch Ansatz geeigneter Trendannahmen zu berücksichtigen.
Im Falle eines Angebots zur Förderung des freiwilligen vorzeitigen Ausscheidens sind die Leistungen aus Anlass der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf der Basis der Anzahl von Arbeitnehmern, die das Angebot voraussichtlich annehmen werden, zu bewerten.
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vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 16.10.1984 (IV B 1 - S 2176 - 104/84) ↩︎